in Logo der Deutschen Bahn spiegelt sich in einer Pfütze vor dem Berliner Hauptbahnhof.
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Die Lokführergewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn haben sich im Tarifkonflikt geeinigt. Wer ist der Gewinner?

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Tarifeinigung bei Bahn und GDL: Hat Weselsky sich durchgesetzt?

Der lange Streik der Lokführergewerkschaft GDL bei der Bahn AG scheint sich mal wieder gelohnt zu haben. Wie so oft bekam Gewerkschaftsführer Claus Weselsky auch bei seinem letzten Arbeitskampf vor dem Ruhestand anscheinend, was er wollte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL haben sich nach fünf Monaten auf einen Tarifvertrag geeinigt. Die Bahn ist der GDL entgegengekommen. Lokführerinnen und Lokführer können schrittweise ihre wöchentliche Regelarbeitszeit bis zum Jahr 2029 von 38 auf 35 Stunden absenken bei vollem Lohnausgleich. Wer mehr arbeiten möchte, kann das tun und erhält pro zusätzlicher Wochenstunde 2,7 Prozent mehr Lohn. Hat Gewerkschaftsführer Claus Weselsky auch beim letzten Arbeitskampf vor seiner Rente bekommen, was er wollte?

Für die Bahn AG ist etwas anderes entscheidend: Sie hofft, dass nach dem gefundenen Kompromiss die tatsächlich geleistete Arbeitszeit der Lokführer ziemlich gleich bleibt und in der Praxis kaum sinken wird. Vereinfacht gesagt, sollen die 35 Stunden mehr oder weniger nur einen Symbolwert haben – bei steigender Bezahlung.

35 Wochenstunden als Option – und als Symbol

In erster Linie ging es Weselsky um einen Einstieg in die 35-Studen-Woche für die Schichtbediensteten, wenn auch zunächst eben nur rein symbolisch, weil in diesem und im nächsten Jahr bei der Arbeitszeit noch gar nichts passiert. Stattdessen gibt es zweimal 210 Euro als zweistufige Lohnerhöhung und eine einmalige Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro. Bei der Lohnerhöhung hatte die Gewerkschaft statt 420 einen Monatszuschlag von 555 gefordert.

Flexible Modelle für Arbeitszeit und Bezahlung

Ähnlich wie bei der IG Metall, wo es für die Beschäftigten trotz 35-Stunden-Woche zunehmend Optionsmodelle mit freier Wahl von Mehrarbeit gibt, soll es künftig bei den Lokführern laufen. Sie können weiterhin ihre 38 Stunden arbeiten, dürfen ab 2026 aber auf 37 reduzieren und bis 2029 dann in zwei weiteren Schritten bis auf 35 Wochenstunden absenken. Verbleibende Mehrarbeit wird gegen Aufpreis vergütet.

Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, will sich diese Mehrarbeit etwas kosten lassen, weil ihm angesichts von Personalknappheit und Fachkräftemangel auch kaum etwas anderes übrigbleibt. Wer bei der Bahn weiterhin so viel arbeiten will wie heute, nämlich 38 Stunden, kann sich auf eine Gehaltserhöhung von mehr als acht Prozent freuen.

Welche Streiks in den kommenden Jahren zu erwarten sind

Bis 2029 werden aus diesen 14 Prozent aller Voraussicht nach noch deutlich mehr werden, weil schon im Februar 2026 die Friedenspflicht für die Lokführer endet. Dann darf die GDL wieder einmal für Lohnerhöhungen den Zugverkehr lahmlegen. Und voraussichtlich 2027 oder 2028 könnte die Gewerkschaft gleich noch einmal streiken, um dann endgültig mit der Bahn AG festzulegen, wie viel es zu Beginn der 35-Stunden-Woche sein darf.

In den bevorstehenden fünf Jahren werden die Lebenshaltungskosten durch die Inflation weiter steigen, sodass auch die Lokführer alle Tariferhöhungen gern mitnehmen werden. Die Erfahrung bei der IG Metall zeigt, dass sich nur wenige Arbeitnehmer für mehr Freizeit statt Arbeitszeit entscheiden. Am ehesten vielleicht die älteren Beschäftigten, die vor der Rente stehen, nicht aber Jüngere, die beim Aufbau einer Familie jeden Euro gut gebrauchen können. Daran ändert auch eine höhere Bezahlung nicht viel.

Personalmangel: Mehrarbeit bevorzugt

Umso besser ist das für die Bahn AG, die sonst große Schwierigkeiten hätte, die vielen fehlenden Schichten bei den Lokführern mit frischem Personal zu ersetzen. Das gelingt ihr seit Jahren kaum noch, sodass es auf den Dienstplänen der Lokführer und anderer Schichtarbeiter immer wieder zu Engpässen kommt. Mit diesem Problem ist die Bahn AG aber nicht allein. Auch aus der Industrie sowie im verarbeitenden Gewerbe von mittelständischen Firmen ist zu hören, dass es sehr schwierig sei, neue Mitarbeiter für Schichtarbeit zu finden, spätestens bei Nachtschichten lässt das Interesse deutlich nach.

Der Tarifabschluss im Vergleich – und mit Blick auf die Zukunft

Auf den zweiten Blick steht die Bahn AG mit diesem Abschluss sogar noch besser da. Besser nämlich, als viele ihrer Mitbewerber, bei denen sich die Lokführergewerkschaft GDL fast voll durchgesetzt hat – ohne größere zeitliche Zugeständnisse zu machen, wie für die Einführung der 35-Stunden-Woche.

Die größte Sorge der Bahn AG, der Personalmangel, wird sich durch diesen Tarifvertrag nicht wirklich verschärfen. Bis 2029 ist ja noch viel Zeit, für die eine oder andere Stelle, wie im Lokführerstand, neue Mitarbeiter zu finden. Ob der staatseigene Betrieb die Zeit diesmal besser nutzen wird für die Rekrutierung oder erfolglos verstreichen lässt, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin besteht die Möglichkeit, deutlich mehr Menschen für die Arbeit bei der Bahn zu begeistern.

Zeit bis 2029 nutzen, um die Bahn attraktiver zu machen

Die Frage ist daher, warum es diesmal so lange gedauert hat mit der Tarifeinigung bei der Bahn AG, warum ihr Vorstand nicht schon früher einem solchen Kompromiss zustimmte, der praktisch schon seit Wochen auf dem Tisch lag. Diese Verzögerungen kamen möglicherweise nicht von ungefähr; denn zunächst setzte die GDL mit vielen privaten Bahnbetreibern höhere Tarifabschlüsse durch als bei der staatseigenen Bahn AG.

Bahn AG kommt besser weg als einige ihrer größten Konkurrenten

Für private Bahn-Konkurrenten, die im Regionalverkehr auf die staatlichen Regionalisierungsmittel angewiesen sind, können Streiktage sehr viel teurer sein als für die Bahn AG. Deren staatliche Zuschüsse sind zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Die Gewerkschaft GDL nutzte diese Schwäche der Privatbahnen und erreichte mit ihren Streikdrohungen dort schnellere Abschlüsse inklusive 35-Stunden-Woche.

Viele Privatbahnen sind mit ihren Personalkosten am Limit oder sogar schon darüber hinausgegangen. Einige werden deshalb ihren Betrieb im deutschen Regionalverkehr reduzieren oder sogar einstellen.

Unterm Strich bedeutet das: weniger Konkurrenz für die Bahn AG und am Ende eine Stärkung ihrer alten Monopolstellung, die sie auf weiten Teilen des Streckennetzes immer noch innehat – zumindest im Personenverkehr. Eine besonders teure Tarifrunde war es diesmal und eine, die sich fast nur noch die Bahn AG leisten konnte.

Im Video: Worauf sich Bahn und GDL geeinigt haben.

Zwei ICE-Züge in einem Bahnhof, stehend
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Sechs Mal wurde gestreikt, jetzt gibt es eine Einigung im Tarifstreit zwischen der Bahn AG und der Gewerkschaft GDL.

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