Ein Demonstrant hält ein Schild hoch: "Frieden schaffen ohne Waffen"
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Friedensdemonstration in München

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Pax Christi: Eine Friedensbewegung in Kriegszeiten

Die katholische Friedensorganisation "Pax Christi" wird 75 Jahre alt. Sie setzt sich für Gewaltfreiheit und Abrüstung ein. Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten steht die Friedensbewegung aber vor einer Zerreißprobe – mal wieder.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

An diesem Sonntag wird in München das 75-jährige Bestehen des deutschen Ablegers von "Pax Christi" gefeiert, der katholischen Friedensbewegung. Pax Christi entstand am Ende des Zweiten Weltkriegs in Frankreich als Initiative von Bischöfen, die sich ursprünglich für eine "Heilung" Deutschlands vom Nationalsozialismus und für Versöhnung mit dem Nachbarland einsetzten.

Doch die Initiative entwickelte sich schnell zu einer internationalen Friedensorganisation. Vor 75 Jahren dann gründete sich auch in Deutschland eine Sektion von Pax Christi.

In den 80er-Jahren: Großer Zulauf wegen Nato-Doppelbeschluss

Zulauf bekam die Friedensbewegung in den achtziger Jahren durch die Demonstrationen gegen den Nato-Doppelbeschluss. Doch wo steht Pax Christi heute? Der Krieg in der Ukraine und der Krieg in Israel und Gaza stellen die christliche Friedensbewegung vor eine Zerreißprobe.

Denn Pazifismus hat es heutzutage schwer. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der von Bundeskanzler Scholz angekündigten "Zeitenwende" dringen radikal pazifistische Positionen kaum noch durch. Für viele wirkt die Forderung nach Gewaltfreiheit naiv.

Als "Lumpenpazifist" beschimpft

Martin Pilgram ist Vorsitzender von Pax Christi in der Erzdiözese München-Freising und erinnert sich noch gut an eine Diskussionsrunde im Fernsehen zu Beginn des Kriegs in der Ukraine. "Wenn man gesagt hat, man ist gegen Waffenlieferungen in die Ukraine, das war am Anfang vom Krieg, da wurde man fast verprügelt", sagt Pilgram. Bei einer Demonstration in München sei er auch mal als "Lumpenpazifist" beschimpft worden, der zu Putin gehen solle.

Rund 5.000 Pax-Christi-Mitglieder in Deutschland

Heute engagiert sich Pax Christi in vielen Ländern mit Projekten vor Ort, mit Friedensgebeten und politischen Resolutionen. In Deutschland habe Pax Christi rund 5.000 Mitglieder, sagt Pilgram.

Der mittlerweile verstorbene Priester Paulus Engelhardt erinnerte sich vor fünfzehn Jahren an die Anfänge der Bewegung in Deutschland: "Am Anfang war's noch fromm. Und dann kam so nach den 68ern die politische Wendung. Da waren sie politisch und nicht mehr fromm. Und am Schluss fromm und politisch", sagte Engelhardt im Deutschlandfunk.

Schon beim Jugoslawien-Krieg uneinig

Der "Gebetskreuzzug" für den Frieden entwickelte sich zum Straßenprotest. Pax Christi machte sich für Kriegsdienstverweigerung, Abrüstung, Aussöhnung mit Polen und eine ehrliche Vergangenheitsaufarbeitung stark. In den 90ern stellten die Jugoslawienkriege dann die christliche Friedensethik auf die Probe: Darf die Nato im Kosovo bombardieren, um serbische Menschenrechtsverletzungen zu verhindern? Pax Christi war zerstritten: Ist Gewalt grundsätzlich abzulehnen – oder gibt es Situationen, in denen sie erlaubt, vielleicht sogar geboten ist?

Im Jahr 2000 formulierte der damalige Pax-Christi-Generalsekretär Joachim Gastecki einen möglichen Ausweg: "Wie können wir politisch als Friedensbewegung dafür arbeiten, dass Situationen wie die in Bosnien oder im Kosovo durch frühzeitige Konfliktbearbeitung gar nicht erst entstehen?"

Welche Waffen sind die richtigen zur Verteidigung?

Martin Pilgram von Pax Christi in München ist nicht grundsätzlich gegen jede Art von Waffenlieferung. Zum Beispiel an die Ukraine: "Wir müssen natürlich auch die Situation, die Anliegen und die Reaktionen von Menschen in der Ukraine wahrnehmen", sagt Pilgram. Welche Waffen dann für die Verteidigung die richtigen seien, darüber könne man natürlich streiten.

Mit Blick auf Israel und Palästina spüre Pilgram eine Zerrissenheit: "Ich verurteile aufs Schärfste diesen Terrorakt der Hamas. Auf der anderen Seite muss man immer sagen: Was tut Israel, um sich dagegen zu wehren? Ist es adäquat oder sterben da auch unendlich viele Leute? Es ist schwierig."

Immerhin, vor einer Woche einigte sich die Pax-Christi-Delegiertenversammlung in Mainz auf einen Appell – mit Verurteilung vom Hamas-Terror und Forderungen unter anderem für einen sofortigen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln der Hamas.

Engagement für israelisch-palästinensische Verständigung

Für viele Engagierte bei Pax Christi ist dieser Krieg besonders bitter. Schließlich engagiert sich eine Nahost-Kommission seit Langem für israelisch-palästinensische Verständigung.

Und dennoch glaubt Pilgram weiter an das Engagement für den Frieden: "Wenn wir nicht die Vision haben, dass wir irgendwann zu einer gerechteren und friedlicheren Welt kommen, dann braucht es uns nicht mehr. Aber solange wir noch irgendwo einen Funken Hoffnung haben, müssen wir auch dafür kämpfen, dass sich die Welt nicht in eine Richtung entwickelt, wo wir sagen: Wir stopfen die Welt voll mit Waffen und irgendwo knallt es dann." Deswegen habe Pax Christi auch 75 Jahre nach seiner Gründung noch seine Daseinsberechtigung.

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