Nach den Unwetter: Schlamm und Hagel bedecken die Straßen von Birkenfeld im Landkreis Main-Spessart.
Bildrechte: Achim Müller

Nach den Unwetter: Schlamm und Hagel bedecken die Straßen von Birkenfeld im Landkreis Main-Spessart.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

"Land unter" - Unwetter wütet in weiten Teilen Bayerns

Ein Unwetter mit Sturm und Hagel ist über Bayern hinweggefegt. Besonders betroffen: der Landkreis Main-Spessart. Einsatzkräfte waren im Dauereinsatz. Auch der Kirchentag in Nürnberg musste unterbrochen werden.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Kurz vor 17 Uhr grummelte und donnerte es unheilvoll, dunkle Wolken zogen auf. Dann prasselten Regen und Hagel gewaltig auf die Straßen herab. Innerhalb weniger Minuten herrschte in Teilen des Leitstellengebietes der Integrierten Leitstelle Würzburg (ILS) "Land unter", teilt die ILS mit. Bis 21 Uhr wurden der ILS etwa 150 Einsätze für die örtlichen Feuerwehren gemeldet, die von der Leitstelle koordiniert werden mussten.

Die tatsächliche Zahl liege vermutlich höher, da Einsätze direkt an vor Ort befindliche Feuerwehren gemeldet wurden, vermutet Brandschutzmann Alfred Schubert von der Berufsfeuerwehr Würzburg, bei der die ILS angesiedelt ist. Überschwemmte Straßen, vollgelaufene Keller oder umgestürzte Bäumen lauteten die häufigsten Meldungen. Aber auch Verkehrsunfälle auf der A3 oder ein eingestürztes Dach wurden der Leitstelle gemeldet.

Vollgelaufene Keller und verschlammte Straßen

Schwerpunkt des Unwetters bildete jedoch der Landkreis Main-Spessart im Bereich Marktheidenfeld. Hier gab es allein binnen zwei Stunden ca. 100 Einsätze. Laut Deutschem Wetterdienst waren bis zu 60 Liter pro Quadratmeter innerhalb einer Stunde gefallen. Zahlreiche Keller liefen voll, Bäume und Bauzäune stürzten um, Straßen verschlammten, Gullydeckel wurden hochgedrückt und auch zwei Industriebetriebe in Marktheidenfeld in Mitleidenschaft gezogen. In einem ist ein Hallendach eingestürzt, in einem anderen stand viel Wasser im Keller, in einem Hochregallager sogar knietief. Dort wurde eine Schicht abgesagt und die Mitarbeiter nach Hause geschickt.

Tiefenthal und Birkenfeld versinken im Hagel

Besonders schwer betroffen waren der Erlenbacher Ortsteil Tiefenthal und Birkenfeld. Hier standen die Keller in der Ortsmitte unter Wasser, die Kanalisation hatte der Wasserflut nicht standgehalten. Kanaldeckel wurden herausgedrückt, Schlamm wälzte sich von den Hängen und durch die Ortsstraßen. Allein in Birkenfeld mussten 50 Keller leergepumpt werden. Laut Birkenfelds Bürgermeister Achim Müller schoben Radlader Schlamm und die Hagelschicht weg, die wie Schnee aussah. Die Aufräumarbeiten mit Radladern dauerten bis in die Nachtstunden. Mehrere Feuerwehren und das THW haben 30 Keller in Birkenfeld leergepumpt, um 20 weitere kümmerten sich die Einwohner selbst. Viele Freiwillige aus der Bürgerschaft halfen sich gegenseitig.

Laut Bürgermeister waren die Feuerwehren exzellent organisiert. Für Tiefenthal wurde ein Feuerwehrzug aus Gemünden angefordert, um die Keller in der Hauptstraße leerzupumpen, so Feuerwehrsprecher Benedict Rottmann aus Marktheidenfeld. Zudem bedeckte eine Hagelschicht von 15 Zentimetern die Straßen von Tiefenthal. Insgesamt waren im Inspektionsbereich von Marktheidenfeld 300 Kräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk im Einsatz.

Umsonst & Draußen-Festival kurzfristig unterbrochen

Im Landkreis Rhön-Grabfeld gab es wenige und kleine Einsätze mit ein paar vollgelaufenen Kellern in Oberthulba und Hohenroth, heißt es von der ILS Schweinfurt.

Das Umsonst & Draußen-Festival in Würzburg wurde kurz nach dem Beginn am Nachmittag wegen der Unwetterwarnung unterbrochen. Für 19.30 Uhr gaben die Veranstalter Entwarnung und das Festival konnte weitergehen.

Starkregenzelle im Raum Schrobenhausen

Das Unwetter hat ebenso in der Region um Ingolstadt für zahlreiche Einsätze der Feuerwehr gesorgt. Im Raum Schrobenhausen, vor allem im Ort Aresing, seien etwa 100 überschwemmte Keller gemeldet worden. Eine Starkregenzelle habe dort laut ILS für die Überschwemmungen gesorgt. Einige Kilometer weiter habe man vermehrt mit Blitzschlagschäden zu tun gehabt. In Reichertshausen bei Pfaffenhofen an der Ilm hat ein Blitz in eine Scheune eingeschlagen. Durch die schnelle Reaktion der Bürger konnten die Einsatzkräfte aber Schlimmeres verhindern und den leichten Brand löschen.

Ein Gartenhaus in der Region war nach einem Blitzeinschlag gestern abgebrannt. Zudem wurden mehrere kaputte Brandmeldeanlagen gemeldet. Ein Pkw war außerdem in einer überfluteten Unterführung steckengeblieben. Eine finale Auswertung gibt es laut ILS noch nicht, insgesamt waren es deutlich mehr Einsätze und auch mehr Personal war im Einsatz. Viele Feuerwehren sind demnach auch heute noch beschäftigt.

Zwei Aquaplaning-Unfälle in Schwaben

Wegen des Unwetters kam es am frühen Donnerstagabend auch in Schwaben auf der Autobahn A7 in Fahrtrichtung Füssen bei Altenstadt im Landkreis Neu-Ulm zu zwei Unfällen. Wie die Polizei mitteilt, hatte plötzlich Starkregen eingesetzt, sodass eine 32-jährige Autofahrerin die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor und so gegen die Leitplanke geschleudert wurde, dass sich ihr Auto mehrmals überschlug.

Hinter dem Wildschutzzaun neben der Autobahn kam das Auto schließlich zum Stehen, die Fahrerin hatte laut Polizei großes Glück und wurde lediglich leicht verletzt. Mit einem Schrecken davon kam ein 69-Jähriger, der an derselben Stelle die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Nachdem es mehrere Verkehrszeichen und den Wildschutzzaun demoliert hatte, kam sein Fahrzeug auf dem Grünstreifen zum Stehen.

Herabstürzender Ast trifft Familie - zwei Kinder schwerstverletzt

Nahe Weißenohe im Landkreis Forchheim ist eine Familie am Donnerstagnachmittag beim Wandern von einem herabstürzenden Ast getroffen worden. Die vier Jahre alte Tochter, ihr acht Jahre alter Bruder und die Mutter wurden laut Polizei teils schwerstverletzt. Die beiden Kinder wurden noch vor Ort von Ersthelfern, darunter zwei Ärzte, reanimiert.

Der Achtjährige wurde per Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht, wo er dann zur weiteren Behandlung ins künstliche Koma versetzt wurde. Später erlag der Junge im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Die vierjährige Tochter konnte von den Rettungskräften stabilisiert werden. Anschließend wurde sie mit einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht, ebenso wie die 34 Jahre alte Mutter, die durch den herabstürzenden Ast eine Platzwunde erlitt.

Der Vater und die Großmutter waren bei der Wanderung im Ortsteil Dorfhaus einige Meter vor der Mutter und den Kindern gelaufen. Sie wurden nicht von dem Ast getroffen und blieben unverletzt. Laut Polizei hatte eine Windböe den morschen Ast offenbar genau in dem Moment abgebrochen, als die Mutter sich mit ihren beiden Kindern unter dem Baum befand. Ob das Unwetter zu dem herabfallenden Ast geführt hat, ist aktuell Gegenstand der Ermittlungen seitens der Polizei.

Kirchentag in Nürnberg musste Programm unterbrechen

Auch der evangelische Kirchentag in Nürnberg musste am Donnerstagnachmittag sein Programm unwetterbedingt unterbrechen. Etwa 70 größtenteils kleinere Freiluftveranstaltungen des Kirchentags waren von dem Unwetter betroffen. In der Folge wurden die Gemeinschaftsquartiere für die Besucherinnen und Besucher laut einer Kirchentags-Sprecherin früher geöffnet, um den oftmals vom Regen durchnässten Menschen die Möglichkeit zu geben, sich aufzuwärmen und umzuziehen. Für Leute, deren Zelte auf dem Campingplatz vom Regen durchnässt wurden, wurde ein Ausweichquartier in einer Schule eingerichtet. Am Abend konnte das Programm dann fortgesetzt werden.

Feuerwehr und Autos nach Unwetter.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Unwetter

Allein 270 Unwetter-Einsätze für die Feuerwehr in Nürnberg

Wegen des Unwetters mit Starkregen und Hagel musste die Feuerwehr in Nürnberg am Donnerstagnachmittag und frühen Abend wiederum zu rund 270 Einsätzen ausrücken. Betroffen war vor allem der Norden und Nordwesten des Stadtgebiets mit den Stadtteilen Großgründlach und Boxdorf, so ein Sprecher der Integrierten Leitstelle in Nürnberg. Hier war das Wasser unter anderem wegen des trockenen Bodens oberflächig abgelaufen und dann in die Wohngebiete geströmt. Dort liefen Keller, Unterführungen und Baugruben voll. Gullydeckel wurden durch die Wassermassen nach oben gedrückt. Verletzt wurde aber niemand.

Im Stadtzentrum fielen infolge des Starkregens zeitweise einige Ampelanlagen aus, vor allem rund um den Plärrer. Auch im Straßenbahnverkehr kam es zu Ausfällen, vermutlich durch einen Blitzeinschlag in einem Starkstromkasten. Ebenfalls wegen eines Blitzschlags kam es in Cadolzburg im Landkreis Fürth zu einem Dachstuhlbrand.

Kaum Feuerwehreinsätze nach Unwetter in der Rhön

Auch in Oberthulba in der Rhön kam es zu mehreren kleineren Feuerwehreinsätzen. Wie die Integrierte Leitstelle in Schweinfurt mitteilt, musste die Feuerwehr dort in den Ortsteilen Schlimpfhof und Hassenbach ein paar Keller auspumpen. Im Landkreis Rhön-Grabfeld im Bereich von Mellrichstadt standen ein paar Straßen unter Wasser. In Hohenroth bei Bad Neustadt musste auch ein Keller ausgepumpt werden. Nach Angaben der Integrierten Leitstelle waren es sehr wenige und alles in allem kleine Einsätze.

Viel zu tun für Feuerwehr und freiwillige Helfer nach dem Unwetter am Donnerstag.
Bildrechte: Achim Müller
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Viel zu tun für Feuerwehr und freiwillige Helfer nach dem Unwetter am Donnerstag.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!