Ortseinfahrt mit Ortschild "Kreisstadt Sonneberg"
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Der Thüringer Kreis Sonneberg an der Grenze zum Landkreis Coburg wird künftig von einem AfD-Landrat regiert.

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AfD-Sieg in Sonneberg: Das sagen die oberfränkischen Nachbarn

Der Thüringer Kreis Sonneberg an der Grenze zum Landkreis Coburg wird künftig von einem AfD-Landrat regiert - eine Premiere für die Rechtsaußenpartei. Die Reaktionen aus den oberfränkischen Nachbarkommunen fallen unterschiedlich aus.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Dreimal hatte die AfD in den vergangenen Wochen nach einem kommunalen Spitzenamt im Osten gestrebt – in Thüringen hat es nun geklappt: Dort stellen die Rechtspopulisten nun erstmals einen Landrat. Im Kreis Sonneberg, der an Oberfranken grenzt und eng mit seinen fränkischen Nachbarkommunen verbunden ist, gewann ihr Bewerber Robert Sesselmann am Sonntag die Landratswahl.

Coburgs OB Sauerteig: Negative Kommentare stehen mir nicht zu

Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) reagierte mit Zurückhaltung auf den Sieg der AfD. "Ich bin der Meinung, dass es mir als Oberbürgermeister der Stadt Coburg nicht zusteht, die mehrheitliche Entscheidung des Souveräns, nämlich der Bürger des Landkreises Sonneberg, negativ zu kommentieren oder gar die Wähler zu schelten", schrieb Sauerteig am Sonntagabend auf seiner Facebook-Seite.

Bei den gemeinsamen Fragestellungen für die Stadt Coburg und den Landkreis Sonneberg werde er in Verantwortung für die Bürger der Region "Herrn Sesselmann ganz konkret in die Pflicht nehmen", betonte Sauerteig weiter. "Kommunalpolitik und das konkrete Lösen von Aufgabenstellungen in der Praxis vor Ort funktioniert nämlich nicht mit einem ausschließlichen Kurs des Dagegenseins und des Zeigens auf Berlin oder Erfurt."

Als Beispiel für die Zusammenarbeit nannte Sauerteig den Klinikverbund Regiomed, der unter anderem Kliniken betreibt. Zu Regiomed hören neben dem Krankenhausverband Coburg und dem oberfränkischen Landkreis Lichtenfels auch die beiden Thüringer Kreise Hildburghausen und Sonneberg. Zudem ist Sonneberg als einziger Landkreis außerhalb Bayerns Mitglied der Metropolregion Nürnberg.

Coburgs CSU-Landrat will Wahlergebnis nicht bewerten

Der Landrat von Coburg, Sebastian Straubel (CSU), will unterdessen noch keine Prognose abgeben, wie sich die bisher enge Zusammenarbeit mit dem Nachbarlandkreis Sonneberg in Thüringen weiterentwickeln wird. "Eine Prognose verbietet sich", teilte Straubel auf Anfrage mit. "Aus dem Nachbarlandkreis betrachtet, muss ich festhalten, dass für die Wahl in Sonneberg ganz offensichtlich regionale Themen keine nennenswerte Rolle gespielt haben."

Dabei mache gerade das die Kommunalpolitik aus, dass Entscheidungen vor Ort fielen und das Leben der Menschen beträfen. "Das ist in dieser Form außergewöhnlich und für eine Perspektive unserer Zusammenarbeit nicht hilfreich. Denn gerade auf regionaler Ebene haben wir in den vergangenen Jahren viel auf den Weg gebracht." Als Beispiel nannte er das "erfolgreiche Tourismusmarketing im Verein Coburg-Rennsteig".

Er könne deshalb nur für seinen Landkreis sprechen, sagte Straubel weiter: "Der Landkreis Coburg – und dafür stehe ich als Landrat – ist ein Landkreis, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gänze fördert." Konkret kommentieren wollte Straubel die Wahl nicht - er sagte, er nähme das Ergebnis "zur Kenntnis".

"Jammern hilft nichts"

Auch Martin Stingl, zweiter Bürgermeister von Neustadt bei Coburg und stellvertretender Landrat (SPD) sprach am Montag gegenüber BR24 von dem Ergebnis einer demokratischen Wahl. Die Menschen im Kreis Sonneberg hätten so gewählt, damit habe man schlichtweg umzugehen, jammern bringe nichts. Neustadt bei Coburg und Sonneberg liegen nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Seit der Wiedervereinigung sind die Städte vor allem auch kulturell zusammengewachsen, so Stingl.

Der Bamberger Landrat Johann Kalb, der auch Ratsvorsitzender der Metropolregion Nürnberg ist, schrieb in einer Mitteilung: "Robert Sesselmann sucht die Nähe zu Björn Höcke, der die AfD führend zu einer rechtsextremen Partei geformt hat. Die europa- und fremdenfeindlichen Parolen, mit denen Sesselmann die Wahl bestritten hat, haben mit den Aufgaben und Kompetenzen eines Kommunalpolitikers nichts zu tun."

Sonneberg als Teil der Metropolregion Nürnberg

Jeder Demokrat müsse über das Wahlergebnis im Landkreis Sonneberg bestürzt sein, hieß es weiter. "Wir müssen nun noch lauter gegen Extremismus und für eine weltoffene Gesellschaft eintreten, zum Beispiel in unserer Allianz gegen Rechtsextremismus." Gemeinsam müsse man nun Antworten auf diese schwierige Situation finden.

Rund 170 Nationalitäten lebten in der Metropolregion friedlich zusammen, so Kalb in einem Schreiben weiter. Die Vielfalt der Kulturen bereichere das Zusammenleben. Weltoffenheit und eine Willkommenskultur spielten für die Region eine wichtige Rolle. Und: "In der Allianz gegen Rechtsextremismus der Europäischen Metropolregion Nürnberg engagieren sich 160 Städte, Gemeinden und Landkreise der Metropolregion, um unsere Demokratie zu stärken und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegen zu treten."

Sonneberg ist der einzige Landkreis außerhalb Bayerns, der zur Metropolregion Nürnberg gehört und ist eng mit seinen bayerischen Nachbarkommunen verflochten.

Oberfrankens Grüne: Sonneberg-Ergebnis ist "bitter"

Die aus Thüringen stammende Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie sei bestürzt. Die Wahl dürfte "nicht einfach als Protestwahl abgestempelt werden". Sie sei überzeugt, dass die Menschen die AfD nicht trotz ihrer Positionen wählen, sondern genau wegen dieser Haltungen. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lange nannte das Wahlergebnis "bestürzend" und forderte, dass alle demokratischen Kräfte nun gemeinsam die Demokratie verteidigen müssten.

Oberfrankens Grüne bewerten das Ergebnis der Landratswahl in Sonneberg im benachbarten Thüringen als "bitter". Lösungen und Perspektiven biete die AfD nicht, nur Raum für Empörung, teilte Bezirkssprecherin Susanne Bauer mit. Man nehme das Ergebnis ernst. Mit Blick auf die Landtags- und Bezirkstagswahlen im Herbst in Bayern forderte Bauer zu einem "sachlichen Diskurs im Ringen um Lösungen für die Aufgaben unserer Zeit" auf.

Für den oberfränkischen AfD-Landtagsabgeordneten Martin Böhm aus Coburg hat die Wahl Sesselmanns zum neuen Sonneberger Landrat enorme Auswirkungen. Die AfD habe bundesweit zum ersten Mal ein Parteimitglied in der exekutiven Funktion, sagte Böhm zu BR24. Dabei dürfe man auch nicht vergessen, dass Sesselmann bereits bei der Landratswahl 2018 30 Prozent der Stimmen geholt habe. Für die landkreisübergreifende Zusammenarbeit, beispielsweise bei Regiomed, könne sich Robert Sesselmann und sein Beraterstab sicher sehr tief einbringen.

AfD-Politiker Sesselmann erhält knapp 53 Prozent der Stimmen

In der Stichwahl erhielt Sesselmann am Sonntag nach dem vorläufigen Ergebnis 52,8 Prozent der Stimmen. Der amtierende Landrat von der CDU, Jürgen Köpper, kam auf 47,2 Prozent, obwohl er von einer Parteienallianz unterstützt wurde. Sesselmann war wegen seines Erfolgs im ersten Durchgang bereits als Favorit in das Rennen gegangen.

Robert Sesselmann ist 50 Jahre alt, Rechtsanwalt und derzeit AfD-Landtagsabgeordneter in Erfurt. Er stammt aus der Stadt Sonneberg. Als Chef der Kreisverwaltung muss er künftig vor allem Beschlüsse des Kreistages, aber auch von Landtag und Bundestag umsetzen. Außerdem kann er regionale Fragen klären wie die Kita-Betreuung oder die Sanierung von Gebäuden und Straßen.

Mit Informationen von dpa

AFD Politiker.
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AFD-Politiker Robert Sesselmann gewinnt Landratswahl in Sonneberg in Thüringen.

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